Deutsch-Französisches Planungsseminar 2017


Raumentwicklung, Stadterneuerung, Natur- und Kulturerbe in Lyon und Saint-Étienne
Dr. Eric Thomas, Dr. Frank Scholles,
Dipl.-Ing. Magrit Putschky

Foto: Blick in das Rhône-Tal im Naturpark Pilat von Tupin-et-Semons aus. Foto: Blick in das Rhône-Tal im Naturpark Pilat von Tupin-et-Semons aus. Foto: Blick in das Rhône-Tal im Naturpark Pilat von Tupin-et-Semons aus.
Blick in das Rhône-Tal im Naturpark Pilat von Tupin-et-Semons aus (Foto: Kathleen Dahmen)

Das deutsch-französische Planungsseminar dient alljährlich dem interkulturellen Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden der Raum- und Umweltplanungs-Abteilung an der Ingenieurschule der Universität Tours und am Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover. Es wird vom Deutsch-Französischen Jugendwerk gefördert. Die Seminare und Exkursionen finden abwechselnd in einer deutschen oder einer französischen Region zu interessanten aktuellen Planungsfragen statt. Hierbei lernen die Teilnehmenden nicht nur Planungssysteme, -inhalte und -kulturen kennen, sondern erfahren auch viel über die Eigenarten und die Politik beidseits des Rheins.

In diesem Jahr fand der Austausch vom 1. bis 7. Oktober in Lyon, Saint-Étienne und Umgebung (Région Auvergne-Rhône-Alpes) statt. Es nahmen insgesamt 23 Studierende und drei Lehrende teil.

Gruppenfoto: Die Exkursionsgruppe vor dem Wandgemälde am Seidenweber-Haus in der Lyoner Altstadt. Gruppenfoto: Die Exkursionsgruppe vor dem Wandgemälde am Seidenweber-Haus in der Lyoner Altstadt. Gruppenfoto: Die Exkursionsgruppe vor dem Wandgemälde am Seidenweber-Haus in der Lyoner Altstadt.
Die Exkursionsgruppe vor dem Wandgemälde am Seidenweber-Haus in der Lyoner Altstadt


Die Gruppen aus Tours und Hannover, via Saarschleife angereist, trafen sich am 1. Oktober abends im Centre International de Séjour Lyon (CISL). Am ersten Tag ging es um die Stadtplanung in Lyon, speziell um die Halbinsel zwischen den Flüssen Saône und Rhône. Im südlichen Teil der Halbinsel läuft derzeit die großflächige Stadterneuerung des Quartier Confluence (Zusammenfluss), mit der ein ehemaliges Industriegebiet saniert und zum stark durchgrünten Mischgebiet für Wohnen und Dienstleistungen entwickelt wird. Hier befindet sich auch der neue Sitz der Région Auvergne-Rhône-Alpes, die 2016 durch Fusion der bisherigen Regionen Rhône-Alpes und Auvergne gebildet wurde. Die Gruppe traf den fließend Deutsch sprechenden Regionspräsidenten Laurent Wauquiez. Die Autobahn A6 Paris-Avignon (Autoroute du Soleil), die bisher in Dammlage durch das Gebiet führt, wird in der kommenden Jahren herabgestuft und zurückgebaut. Im nördlichen Teil der Halbinsel befindet sich die historische Altstadt, die als UNESCO-Weltkultuerbe eingetragen ist. Bei einer Altstadtführung wurde die Geschichte Lyons, insbesondere als Stadt der Seidenweber, erläutert. Am zweiten Tag ging es um die grüne und blaue Infrastruktur. Zunächst wurde die Neugestaltung der Saôneufer unter Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie vorgestellt. Im städtischen Bereich ist sie stärker durch Freiraumgestaltung und Baukunst geprägt als weiter flussaufwärts. Auch das Weltkulturerbemuss berücksichtigt werden. Die Planungen für das linke Saôneufer sind weitgehend umgesetzt; das rechte Ufer wird folgen. Anschließend ging es zum Park Miribel-Jonage, einem auslaufenden Kiesabbaugebiet in der Rhône-Aue am Rand der Metropole, dessen Bedeutung als städtischer Freiraum für Erholung, Naturschutz, Trinkwasserschutz und Hochwasser-Regulierung herausgestellt wurde. Mit einer Zonierung stimmen die Planer die vier Belange aufeinander ab.

Am nächsten Tag wurde Lyon verlassen, um den regionalen Naturpark Pilat zu erkunden. Der Höhenzug trennt die Einzugsgebiete von Rhône und Loire und weist vielfältige Ökosysteme auf, die zwischen den Zentren Lyon und Saint-Étienne unter hohem Nutzungsdruck durch Wohnen, Erholen, aber auch Weinbau stehen. An mehreren Aussichtspunkten sowie im Haus des Naturparks in Pélussin wurden die Charakteristika des Gebiets sowie die Naturschutz- und Öffentlichkeitsarbeit der Parkverwaltung vorgestellt. Abends wurde die funktionalistische Jugendherberge André Wogenscky in Saint-Étienne bezogen.

Der folgenden beiden Tage waren der Stadtentwicklung im Stadtverband Metropole Saint-Étienne gewidmet. Die Gegend war ein seit der industriellen Revolution rasch gewachsenes Zentrum des Kohlebergbaus und der Waffenproduktion. Zunächst wurde die Umnutzung einer ehemaligen Waffenfabrik zu einem Designstadtteil (Cité du Design) vorgestellt. In den in Zusammenarbeit von EPA, Stadt, Stadtverband und Hochschulen hergerichteten alten und einigen wenigen neuen Gebäuden haben sich die Hochschule der Künste, Teile der Universität, verschiedene Start-ups aus der Kreativwirtschaft, Caterer, eine Grundschule und ein Kindergarten angesiedelt. Sie richten verschiedene Events aus, um der Bevölkerung die neue Zugänglichkeit des Viertels zu vermitteln. Durch diese Ansiedlungen wurde Saint-Étienne als Stadt des Designs Teil des UNESCO-Netzwerk Creative Cities.

Im EPASE haben sich der französische Staat, die Stadt, der Stadtverband, das Département und die Region zu einer Planungsanstalt öffentlichen Rechts zusammengeschlossen, um vier große Gebiete in Saint-Étienne zu sanieren, womit die Stadt alleine überfordert gewesen wäre. Durch zwei der Gebiete, das Bahnhofsviertel Châteaucreux und den bisher von mehrspurigen Straßen und anspruchsloser Einzelhandelsarchitektur geprägten Stadteingangsbereich Pont de l‘Âne-Monthieu, wurde geführt, die Cité du Design in der Manufacture-Pleine Achille hatte man bereits vorher besucht.

In Firminy bei Saint-Étienne hat der Architekt Le Corbusier am Ende seines Schaffens eine Reihe von für ihn und den Funktionalismus typischen Bauten geplant, die von seinen Schülern errichtet und ergänzt wurden. In der Site Le Corbusier wurden die Ideen, der Stil, die Umsetzung und die heutige Nutzung erläutert.

Den Abschluss bildete eine Bootsfahrt auf dem Stausee in den Loireschluchten (Gorges de la Loire), bei der die Stromproduktion, der Hochwasserschutz und insbesondere die Natura-2000-Schutzgebiete erläutert wurden, die vom Zweckverband für den See und einem örtlichen Naturschutzverein betreut und gepflegt werden. Startpunkt war St.-Victor-sur-Loire, eine ehemals selbstständige Gemeinde, die sich der Stadt Saint-Étienne angeschlossen hat und nun deren Exklave und Hafen an der Loire darstellt. Anschließend konnte vom Dach der Schlossruine Essalois aus die Landschaft bis nach Saint-Étienne im Überblick betrachtet werden. Am Samstag endete die Exkursion und es ging von Saint-Étienne aus via Freiburg wieder zurück nach Hannover bzw. Tours.