Publikationen (FIS)
Lokaler Energiewendedialog: Schlussbericht
Vision:En 2040 - Unsere Ideen, unsere Energiewende
- verfasst von
- Julia Thiele, Julia Wiehe, Christina von Haaren
- Abstract
Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, welche die Beteiligung von jeder einzelnen Person erfordert. Indem fossile Brennstoffe und Atomkraft durch erneu-erbare Energien ersetzt werden, ist die Energiewende der wichtigste Baustein, um die Kli-maschutzziele zu erreichen und die Folgen des menschengemachten Klimawandels abzu-mildern. Eine naturverträgliche Energiewende kann darüber hinaus positive Beiträge zur Minderung des Biodiversitätsverlusts leisten. Insgesamt ist die Energiewende von der Mehr-heit der Bevölkerung gewünscht. In der Praxis vor Ort können Planungen für neue erneuer-bare Energieanlagen (EE-Anlagen) jedoch auf Skepsis stoßen. Anwohnende wünschen sich eine größere und frühzeitige Beteiligung am Planungsprozess. Die Forschung liefert theore-tische und praktische Anhaltspunkte, die eine örtliche Akzeptanzbildung durch kollaborative, räumliche Planung unterstützen.
Das Projekt „Lokaler Energiewendedialog“ verfolgte vor diesem Hintergrund die Zielsetzung, den Prozess der Energiewende konfliktärmer zu gestalten und die Akzeptanzbildung zu för-dern. Wissenschaftliche Erkenntnisse sollten in die Praxis getragen und auf der lokalen Ebene die konkrete Verantwortung für die Energiewende deutlich kommuniziert und ange-nommen werden.
Im Vorhaben „Lokaler Energiewendedialog“ wurde ein Veranstaltungskonzept mit einem Dialogtool entwickelt: ‚Vision:En 2040‘. Das Dialogtool weist Serious-Gaming- und Gamifica-tion-Elemente auf, und fördert somit als geschützter, emotionaler Erlebnisraum klimabezo-genes Handeln und bietet einen Rahmen für kooperatives Lernen sowie Diskussionen. ‚Vision:En 2040‘ wurde für den Einsatz auf kommunaler Ebene konzipiert und richtet sich sowohl an interessierte Privatpersonen als auch an Entscheidungstragende aus der Regio-nal- und Lokalpolitik sowie an die Kommunalverwaltung.
Das dreistündige Veranstaltungskonzept untergliedert sich in eine Einführungsphase, eine Kleingruppenphase und ein Abschlussplenum. In der Einführungsphase hören die Teilneh-menden einen einleitenden Vortrag, der allgemeine Informationen zur Energiewende, den EE-Ausbaustatus der Gemeinde, zu den Auswirkungen unterschiedlicher EE-Anlagentypen und zum Dialogtool umfasst.
In der anschließenden Kleingruppenphase simulieren die Teilnehmenden mit Hilfe des Dia-logtools (Einzelgruppenmodul) einen Ausbau erneuerbarer Energien für ihre Gemeinde. Sie verorten dafür Windenergieanlagen (WEA) sowie Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) auf der Gemeindefläche und stellen einen Schieberegler für die Nutzung von Dach-Photovoltaik (Dach-PV) ein. Das Dialogtool zeigt auf, inwiefern sich Standorte nach der Ex-pertise von Forschungsprojekten mensch- und naturverträglich für den EE-Ausbau eignen. Bei jeder Anlagenplatzierung berechnet das Dialogtool den potenziellen Stromertrag, der für alle platzierten EE-Anlagen summiert und einem Zielstromertrag der Gemeinde gegenüber-gestellt wird.
Im abschließenden Plenum werden die Gruppenergebnisse vorgestellt und im Gruppener-gebnismodul des Dialogtools überlagert. Die visualisierten Gemeinsamkeiten und Abwei-chungen der Kleingruppenvisionen werden diskutiert, um einen Konsens für den Ausbau erneuerbarer Energien in der Gemeinde zu identifizieren.
Die Funktionalität und die Benutzerfreundlichkeit eines Prototyps des Dialogtools wurden in einer Testphase mit einem systematischen Testablauf auf den Prüfstand gestellt. Teilneh-mende von ‚Vision:En 2040‘-Veranstaltungen erhielten nach der Veranstaltung einen stan-dardisierten Fragebogen, um die Wirkung von ‚Vision:En 2040‘ zu evaluieren. Gruppendis-kussionen, die während einer ‚Vision:En 2040‘-Veranstaltung initiiert wurden, wurden zusätz-lich durch eine inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse untersucht.
Die Befragung der Veranstaltungsteilnehmenden ergab, dass das Dialogtool den Teilneh-menden auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen zeigen konnte, dass ein weiterer Ausbau von EE-Anlagen in der Gemeinde umgesetzt werden muss. Nur mit einem weiteren Ausbau von EE-Anlagen können die bundesweiten Klimaschutzziele erreicht wer-den. Ihre Verantwortung im Energiewendeprozess wurde verdeutlicht, indem das Dialogtool die Auswirkungen einer ablehnenden oder zustimmenden Einstellung zu bestimmten EE-Anlagentypen oder Anlagenplatzierungen auf den Stromertrag aufzeigt. ‚Vision:En 2040‘ erweiterte das Verständnis verschiedener Positionen bezüglich eines EE-Ausbaus und wur-de als hilfreich bewertet, um gemeinsam EE-Standorte in der Gemeinde zu finden und ver-schiedene persönliche Einstellungen zu diskutieren. Für die Teilnehmenden bietet ‚Vision:En 2040‘ die Möglichkeit, einen gemeinsamen Ausbauplan für erneuerbare Energien in der Ge-meinde zu entwickeln und Konsensflächen für den Ausbau zu finden.
Die ersten Tests zeigten, dass ‚Vision:En 2040‘ das Potenzial besitzt, die Handlungs- und die Einstellungsebene der Akzeptanz gegenüber einem EE-Ausbau vor Ort zu beeinflussen. Denn die quantitative und qualitative Auswertung der Veranstaltungen verdeutlichte, dass Teilnehmende einer Veranstaltung von stillen Befürworter:innen für einen EE-Ausbau zu aktiven Unterstützer:innen werden können. Die Gruppendiskussionen verstärkten die positi-ve Einstellung der Teilnehmenden gegenüber der Energiewende und dem Ausbau von EE-Anlagen. Durch den Einführungsvortrag und die Gruppendiskussionen erweiterten und ver-tieften die Teilnehmenden ihren Informationsstand zur Energiewende und zu EE-Anlagentypen. Personen mit einem höheren Informations- und Wissensstand setzen sich häufiger für den EE-Ausbau ein und ‚Vision:En 2040‘ bietet dafür eine geeignete Plattform. Informationen als Beteiligungsformat haben die größten Auswirkungen auf die Akzeptanz, deswegen könnte ‚Vision:En 2040‘ als informelles Beteiligungsinstrument genutzt werden, da es den Wissens- und Informationsstand fördert.
‚Vision:En 2040‘ ist ein Dialoginstrument, mit dem gleichberechtigte Diskussions- und Lern-prozesse in Städten und Gemeinden bezüglich eines Ausbaus erneuerbarer Energien ange-stoßen werden und die Akzeptanzbildung gegenüber dem EE-Ausbau gefördert wird. Dabei kann es die Flächenausweisungs- und Genehmigungsverfahren nicht ersetzen. Den Veran-staltungsteilnehmenden bereitete die Ausbausimulation durch die integrierten Serious-Gaming-Elemente Freude. Um die Reichweite von ‚Vision:En 2040‘ zu erweitern, sollte ein adressatenoptimiertes Manual angefertigt werden.- Organisationseinheit(en)
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Institut für Umweltplanung
- Typ
- Sonstiger Bericht
- Anzahl der Seiten
- 149
- Publikationsdatum
- 10.2022
- Publikationsstatus
- Veröffentlicht
- Ziele für nachhaltige Entwicklung
- SDG 7 – Erschwingliche und saubere Energie
- Elektronische Version(en)
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https://doi.org/10.2314/KXP:1818516713 (Zugang:
Offen)