Institut für Umweltplanung Studium Lehr und Lernformen Exkursionen 2017
Exkursion in den Naturpark Sauerland-Rothaargebirge 2017

Unterwegs im Sauerland: Vom Heidekraut bis zu den Drei Heiligen Madeln


Während der Führung durch die Adolfsburg in Oberhundem (Foto: Jana Deppe)

Ein studentischer Exkursionsbericht

Vom 4. bis 8. September 2017 waren 14 Studierende mit Dr. Roswitha Kirsch-Stracke im Naturpark Sauerland-Rothaargebirge (Südwestfalen) unterwegs. Während der fünftägigen Exkursion ging es um Tourismus- und Naturschutz-Projekte sowie um Themen der Dorfentwicklung im Raum Lennestadt und Kirchhundem (Kreis Olpe). Unterkunft und Ausgangspunkt der Wanderungen war die Rucksackherberge am Rothaarsteig in Kirchhundem-Heinsberg. Die Gruppe erkundete auf ihren Wanderungen auch die regionale Baukultur, die Ausdrucksformen religiösen Lebens in der Landschaft sowie bürgerschaftliche Projekte.

Nach der Anreise mit dem Zug begann der erste Tag am Bahnhof Altenhundem. Hans Schürrer, ehemals Fachbereichsleiter Planen und Bauen der Stadt Lennestadt, veranschaulichte den Studierenden die Umgestaltung von Bahnhofsvorplatz und Marktplatz und begleitete sie durch die Stadt zur „Lenneroute“. Dieser Rad-Wanderweg führt von der Lennequelle bei Winterberg 142 Kilometer flussabwärts bis nach Hagen, wo die Lenne in die Ruhr mündet. Hans Schürrer erläuterte die Wirkung des Tourismus auf die städtische Struktur sowie die positiven Auswirkungen der Umgestaltung auf Stadtbild und Infrastruktur.
Anschließend besuchte die Gruppe die Tourist-Information im umgenutzten Bahnhof. Hier informierte Leiter Clemens Lüdtke anhand von Zahlen und Fakten über das touristische Angebot und veranschaulichte die zentrale Rolle des Wanderns als touristische Aktivität in der Urlaubsregion Lennestadt und Kirchhundem.Einige Studierende fuhren von Altenhundem aus zum „ALDO“ in Kirchhundem-Albaum. In diesem vor fünf Jahren durch bürgerliches Engagement entstandenen Dorfladen konnten die Einkäufe für den ersten Abend in der Rucksackherberge erledigt werden. Dort empfing Christoph Henrichs die Exkursionsgruppe und erzählte, wie er neben seinem Beruf als Lehrer das alte Vierständer-Fachwerkhaus vor 18 Jahren erworben und zur Rucksackherberge umgebaut hat.

Am zweiten Tag machte sich die Gruppe zu Fuß auf zur barocken Wallfahrtskirche auf dem Kohlhagen. Die Wanderung begeisterte durch abwechslungsreiche Vegetation, weite Ausblicke über die Sauerlandhöhen, aber vor allem durch die hervorragende Führung von Hermann-Josef Beckmann. Der 81-jährige Ortsheimatpfleger von Heinsberg ist seit Jahrzenten als Wanderführer des Sauerländischen Gebirgsvereins (SGV) unterwegs.

Auf dem Kohlhagen bekam die Gruppe einen Einblick in die Bau- und Kunstgeschichte der Wallfahrtskirche. Im Inneren beeindruckte der 90-jährige pensionierte Lehrer Bernhard Pauly aus Wirme durch die Interpretation der Altarbilder und sein Verständnis von Religion. Er bereicherte die Studierenden mit erzählten Erfahrungen aus seinem Leben. Herr Pauly zeigte auf eine unbeschreibliche Art, wie wichtig sein Glaube für ihn persönlich ist und welche prägende Bedeutung das religiöse Leben für die Kulturlandschaft Sauerland hatte und noch hat.

Zurück in Heinsberg besuchten die Studierenden am Abend den Bibelgarten von Rudolf und Regina Schmidt. Das Lehrerpaar befasst sich mit allen Gewächsen, die in der Bibel erwähnt werden, ihr Garten eröffnet einen Einblick in diese Pflanzenvielfalt. Die engagierten Besitzer zeigten ihren Gästen auf, welche Bedeutung die sogenannten „Bibel-Pflanzen“ vor 2000 Jahren hatten, wie sie genutzt wurden – und auch, welche Missverständnisse über die Jahrhunderte entstanden und transportiert wurden.

Der Mittwoch begann mit einer Wanderung durch die alte Trift, über die früher jeden Morgen die Kühe aus dem Dorf auf die Heinsberger Heide getrieben wurden, um dort auf den Höhen des Rothaargebirges den Tag über zu weiden. Der Viehtrieb hat einen breiten Weg in der Landschaft hinterlassen, der bis heute von seiner ehemaligen landwirtschaftlichen Nutzung zeugt.

Auf der Hochheide warteten Diplom-Forstwirt Antonius Klein und Diplom-Biologin Sabine Venema von der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Olpe. Sie schilderten der Gruppe die Probleme bei der Erhaltung der Hochheide. Wie bewahrt man Lebensgemeinschaften, die ihre Entstehung den Landnutzungssystemen des 19. Jahrhunderts verdanken? Diese sind heute nicht mehr wirtschaftlich. Probleme bereiten die mangelnde Bereitstellung von finanziellen Mitteln, die zur Pflege der Heideflächen notwendig wären, aber auch die Entwicklung eines lokal wirklich passenden Pflegekonzeptes, das zusätzlich nicht gegen die Bestimmungen der Bundes-Regierung und der EU verstößt. Antonius Klein stellte den Heinsberger Landwirt Schönemund-Henkel vor, der im Rahmen eines Pflegeauftrags die Heinsberger Heide bewirtschaftet. In seinem Milchviehbetrieb kann er den Aufwuchs der meist späten Mahd – die Besenheide soll ja blühen und samen können – nicht verfüttern. Ein Teil des Schnittgutes wird jedoch zum Impfen geplaggter Flächen verwendet. Und Plagg-Material mit hohen Oberbodenteilen wird dort eingebaut, wo der Adlerfarn überhandnimmt, da sich sein „Beerdigen“ als deutlich wirksamer erwiesen hat als Mähen oder Knüppeln.

  Auch die Studierenden trugen ihren Teil zur Heidepflege bei und legten eine 25 Quadratmeter große Versuchsfläche an. Hier wurden Vegetation und Oberboden abgetragen, was erfahrungsgemäß das Aufkommen heidetypischer Pflanzen wie Besenheide (Calluna vulgaris) und Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea) fördert. Weiterhin wurde eine angrenzende Heidefläche vom aufkommenden Baum-Jungwuchs befreit. Den Wanderern entlang des angrenzenden Rothaarsteiges soll sich hier der Anblick einer offenen Heidefläche bieten.

Foto: Das Quartier der Exkursionsgruppe: Die Rucksackherberge, ein umgenutztes Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert. Das Niederdeutsche Hallenhaus mit großem Dielentor steht mit dem Giebel zur Straße. Die schwarz-weiße Farbgebung ist typisch für die Fachwerkhäuser im Sauerland. Foto: Das Quartier der Exkursionsgruppe: Die Rucksackherberge, ein umgenutztes Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert. Das Niederdeutsche Hallenhaus mit großem Dielentor steht mit dem Giebel zur Straße. Die schwarz-weiße Farbgebung ist typisch für die Fachwerkhäuser im Sauerland. Foto: Das Quartier der Exkursionsgruppe: Die Rucksackherberge, ein umgenutztes Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert. Das Niederdeutsche Hallenhaus mit großem Dielentor steht mit dem Giebel zur Straße. Die schwarz-weiße Farbgebung ist typisch für die Fachwerkhäuser im Sauerland.
Das Quartier der Exkursionsgruppe: Die Rucksackherberge, ein umgenutztes Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert. Das Niederdeutsche Hallenhaus mit großem Dielentor steht mit dem Giebel zur Straße. Die schwarz-weiße Farbgebung ist typisch für die Fachwerkhäuser im Sauerland. (Foto: Kirsch-Stracke)
Foto: Gruppe auf dem Rückweg vom Kohlhagen nach Heinsberg. Foto: Gruppe auf dem Rückweg vom Kohlhagen nach Heinsberg. Foto: Gruppe auf dem Rückweg vom Kohlhagen nach Heinsberg.
Auf dem Rückweg vom Kohlhagen nach Heinsberg (Foto: Roswitha Kirsch-Stracke)
Foto: Fläche vor dem Arbeitseinsatz. Foto: Fläche vor dem Arbeitseinsatz. Foto: Fläche vor dem Arbeitseinsatz.
Vor ...
Foto: Fläche während des Arbeitseinsatz. Foto: Fläche während des Arbeitseinsatz. Foto: Fläche während des Arbeitseinsatz.
... während ...
Foto: Fläche nach dem Arbeitseinsatz auf der Hochheide: Auf einer Probefläche wurden Vegetationsschicht und Oberboden abgetragen, um das Aufkommen lebensraumtypischer Zwergsträucher zu fördern. Foto: Fläche nach dem Arbeitseinsatz auf der Hochheide: Auf einer Probefläche wurden Vegetationsschicht und Oberboden abgetragen, um das Aufkommen lebensraumtypischer Zwergsträucher zu fördern. Foto: Fläche nach dem Arbeitseinsatz auf der Hochheide: Auf einer Probefläche wurden Vegetationsschicht und Oberboden abgetragen, um das Aufkommen lebensraumtypischer Zwergsträucher zu fördern.
... und nach dem Arbeitseinsatz auf der Hochheide: Auf einer Probefläche wurden Vegetationsschicht und Oberboden abgetragen, um das Aufkommen lebensraumtypischer Zwergsträucher zu fördern. (Fotos: Katharina Diedrich, Fabius Marquard, Roswitha Kirsch-Stracke)
Foto: Impressionen aus dem Radiomuseum von Reinhard Flöper. Foto: Impressionen aus dem Radiomuseum von Reinhard Flöper. Foto: Impressionen aus dem Radiomuseum von Reinhard Flöper.
Impressionen aus dem Radiomuseum von Reinhard Flöper, Heinsberg (Foto: Verena Pohl)
Foto: Besuch bei den Baumhäusern am Gasthaus „Zu den Linden“ in Oberhundem. Foto: Besuch bei den Baumhäusern am Gasthaus „Zu den Linden“ in Oberhundem. Foto: Besuch bei den Baumhäusern am Gasthaus „Zu den Linden“ in Oberhundem.
Besuch bei den Baumhäusern am Gasthaus „Zu den Linden“ in Oberhundem (Foto: Lisanne Kolbe)
Foto: Blick über einen Teil des Kurparks in Oberhundem. Foto: Blick über einen Teil des Kurparks in Oberhundem. Foto: Blick über einen Teil des Kurparks in Oberhundem.
Blick über einen Teil des Kurparks in Oberhundem – wie kann er ansprechender gestaltet werden?(Foto: Laura Lodolo)

Nachdem der Arbeitseinsatz allen ein Erfolgserlebnis beschert hatte, begab sich die Gruppe erschöpft und durchnässt, aber guter Dinge, auf den Heimweg und besuchte zum Abschluss des Tages das Radiomuseum von Reinhard Flöper. Das Museum ist ein Baustein der „Museumslandschaft Kreis Olpe“, eines Netzwerks, welches das kulturelle Erbe der Region erhalten und über derzeit 20 Museen leichter zugänglich machen will.


Die Besichtigung des Radiomuseum war eine einzigartige Erfahrung. Herr Flöper zeigte eine beeindruckende Anzahl an Radios und Empfänger, teilweise aus den 1920er Jahren stammend. Er strahlte eine unbeschreibliche Begeisterung für seine Sammelstücke aus. Außerdem präsentierte er, zur Freude der gesamten Gruppe, die Funktionen vieler Geräte und zeigte technische Spielereien wie seinen eigenen Sender, der von mehreren Radios gleichzeitig gespielt werden konnte.
Der Museumsinhaber bewirtete die Besucher mit Produkten aus seinem traditionellen Garten: frisch gepflückte Tomaten, ein delikater Apfelkuchen und selbst gemachter Beerenwein standen auf dem Tisch.

Nach den Anstrengungen vom Mittwoch startete die Gruppe am Donnerstag in einen etwas entspannteren Tag. Mit dem Linienbus ging es morgens in den Luftkurort Oberhundem. Dort führte ein heutiger Bewohner die Studierenden durch die barocke Schlossanlage Adolfsburg, welche seit einigen Jahren im privaten Gemeinschaftsbesitz und daher normalerweise nicht öffentlich zugänglich ist. Neben erhaltenen historischen Strukturen im Außenbereich war hier vor allem die Mauervegetation von besonderem Interesse. Mauerfugen und köpfe wurden ausgiebig untersucht.

Entlang des neuen Spielplatzes, angelegt von der Dorfgemeinschaft, und der gerade errichteten Baumhäuser am Gasthof „Zu den Linden“ ging es zum Haus des Gastes. Hier startete die Gruppe zu einem Rundgang durch den angrenzenden Kurpark, dessen Aufwertung Inhalt einer Wochenstegreif-Aufgabe in Anschluss an die Exkursion war. Die Studierenden sammelten durch eigene Beobachtung Informationen zur Nutzung und Ideen zur Verbesserung von Struktur und Pflege des Parks, die in einem anschließenden Gespräch mit Oberhundemer Jugendlichen erweitert wurden.
Eher zufällig traf die Gruppe auf den Bürgermeister der Gemeinde. Dieser ließ sich auf ein kurzes Gespräch ein und versuchte, die Fragen der Studierenden bezüglich Naturschutz und ländlicher Entwicklung zu beantworten.
Zurück in Heinsberg ließ die Gruppe den letzten Abend in der gemütlichen Herberge ausklingen.

Vor der Abreise am Freitag ermöglichte Herr Beckmann noch einen Rundgang durch die Heinsberger Kirche und erklärte unter anderem die Figuren der „Drei heiligen Madel“, der Volksheiligen Barbara, Katharina und Margarete. Im Inneren und Äußeren der Kirche erkannten die Studierenden die Ähnlichkeiten zur der nur 60 Jahre älteren Wallfahrtskirche auf dem Kohlhagen. Mit letzten freundlichen Worten des Ortsheimatpflegers machte sich die Gruppe auf den Rückweg.

Die Fahrt zum Bahnhof wurde für einen abschließenden Programmpunkt in Albaum unterbrochen. Hier empfing Albrecht Sandholz, Vorsitzender des örtlichen Heimat- und Fördervereins, die Gruppe. Er berichtete aus der Geschichte des Dorfes und über den hier ansässigen Fachbereich Fischereiökologie des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV NRW). Anschließend erkundeten alle gemeinsam den „Kleffweg“, der an einem sehr steilen Waldhang entlang führt und die beiden Ortsteile Nieder- und Ober-Albaum miteinander verbindet. Gerade wurde er von Abiturientinnen des Gymnasiums Maria Königin in Altenhundem künstlerisch gestaltet.

Der Aufenthalt im Sauerland hat der gesamten Exkursionsgruppe sehr gut gefallen. Neben den vielen fachlich interessanten Themen waren es vor allem die Menschen, die mit ihrer Herzlichkeit und freundlichen Hilfsbereitschaft immer wieder überraschten.

Text: Jana Deppe & Fabius Marquard